Was tun bei Hundebiss – der tragische Fall “Jonny”

Ein Hundebiss führte zwei Tage später zum Tode eines Jack Russell Terriers. Beim Verfahren um den traurigen Fall haben auch die Behörden nicht gut agiert. Die über 80-jährige Frau G. hing an Jonny, ihrem elfjährigen Jack Russell, der mit sechs Jahren dank Operation vom Krebs geheilt werden konnte.

So kam es zum Beissvorfall

Am 9. August 2018 in einem Park in Luzern fiel ein grosser Hund an der Rollleine einer Frau über Jonny her und biss zu. Wie Frau G. und ihre Begleiterin Frau B., die zu Besuch weilende Tochter, später erfuhren, hatte der Hund schon mal zugebissen. Die Frau weigerte sich, Namen und Adresse herauszugeben, stieg ohne Entschuldigung ins Auto und fuhr weg. Frau B. hielt mit der Handykamera das Fahrzeugkennzeichen fest. Jonny war zwar mitgenommen, doch bis auf eine Geschwulst an der Schulter schien der Hundebiss ohne Folgen zu sein. Weil Tierarztbesuche für den kleinen Jack Russell viel Stress bedeuteten, verzichtete man darauf und beobachtete ihn weiter. Die Tochter meldete den Beissvorfall bei der Polizei und erstattete Anzeige. Sie unterschrieb für ihre Mutter eine Privatklage. In der Nacht auf den 12. August verstarb Jonny überraschend. Für Frau G. brach eine Welt zusammen.

Gesetzliche Lage bei einem Hundebiss

Es kam noch schlimmer: Zwei Wochen später wurde die Tochter von der Polizei vorgeladen. Der Polizist eröffnete ihr, dass man die fehlbare Hundehalterin, eine Frau M., zwar ausfindig gemacht habe, doch zuerst habe das Veterinäramt ein Strafverfahren gegen sie und ihre Mutter als Hundehalterin eröffnet wegen «Verstosses gegen das Tierschutzgesetz» (Vernachlässigung, unterlassene Hilfe, mangelnde Pflege). Von der Einvernahme liess sich Frau G. altershalber und aus gesundheitlichen Gründen durch ein Arztzeugnis entschuldigen. Veterinärpolizei und Staatsanwaltschaft akzeptierten dies nicht und verlangten ein ausführliches Zeugnis. Es dauerte bis Februar 2019, als die Staatsanwaltschaft die beiden Frauen von ihrer Schuld freisprach. Der tierärztliche Bericht hielt fest, dass Jonnys Tod als Folge des Hundebisses eingetreten war und dass weder Vernachlässigung des Hundes noch unterlassene Pflege vorlägen. Als Frau B. bei der Staatsanwaltschaft nachfragte, wie es mit der Strafanzeige und der Schadenersatzklage gegen Frau M. stünde, hiess es, dass keine solche vorläge. Die Hundehalterin selbst, also ihre Mutter, hätte diese innert drei Monaten einreichen müssen. Der Polizist hatte Frau B. am 12. August 2018 nicht darauf aufmerksam gemacht, dass nur sie als Halterin des Hundes Klage einreichen kann. Über das Verfahren gegen Frau M. gab es keine Auskunft. Frau B. und Frau G. reichten im Juli 2019 beim Friedensrichteramt ein Rechtsbegehren für ein Schlichtungsverfahren mit Schadenersatzklage ein. Frau M., die Halterin des Hundes, der zugebissen hat, erschien nicht zum Verhandlungstermin im September. Der Familie von Jonny wäre nur noch der Gerichtsweg geblieben. Wegen der psychischen Belastung und aus finanziellen Gründen verzichteten die Geschädigten darauf, womit der «Fall Jonny» juristisch abgeschlossen war.

Was bei einem Beissvorfall zu beachten ist

  • Ruhe bewahren, Hunde auf Sicherheitsdistanz bringen.
  • Kontrolle, ob Hund verletzt ist. Bei Notsituation sofort zum Tierarzt.
  • Kontaktaufnahme mit dem anderen Hundehalter, Austausch der Personalien.
  • Hat es Zeugen, eventuell Handyaufnahme? (Zur Beweissicherung und solange der Geheim- oder Privatbereich nicht verletzt wird, ist die Datenerhebung erlaubt.)
  • Einigung betreffend Beissvorfall. (Was ist passiert? Wer hat was?)
  • Absprache über weiteres Vorgehen.
  • Zu Hause: Hund nochmals auf Verletzungen absuchen, weiter beobachten, notfalls zum Tierarzt.
  • Bei erheblicher Verletzung müssen Tierärzte, Tierheimverantwortliche oder Hundeausbildner Meldung ans Veterinäramt erstatten.

Als Halter des gebissenen Hundes:

  • Ist der fehlbare Hundehalter unbekannt oder uneinsichtig, Meldung und Anzeige bei der Polizei durch den Geschädigten/Halter binnen drei Monaten.
  • Angaben zum anderen Hund/Halter (z.B. Fahrzeugnummer), Beschrieb des Vorfalls, evtl. Zeugen, Nachweis der Verletzung, Sachbeschädigung.
  • Ist der verantwortliche Hundehalter zur Kostenübernahme nicht bereit: Schlichtungsverfahren beantragen oder Zivilklage mit Schadenersatzforderung einreichen. Wurde der Hund totgebissen, kann Schmerzensgeld gefordert werden.

Als Halter des Hundes, der gebissen hat:

  • Nach Vorfall: Austausch und Angabe der Personalien, falls notwendig Meldung bei der Polizei, persönliche Entschuldigung bei den Geschädigten.
  • Es gilt grundsätzlich Kausalhaftung.
  • Befreiung davon ist möglich, wenn die Erfüllung der Sorgfaltspflicht vollumfänglich nachweisbar ist: wenn der Hund, der gebissen hat, an der Leine war und von einem frei laufenden Hund angegangen wurde, bei Unterbringung im Tierheim und auf Hundespaziergang mit Drittperson, wenn die Betreffenden klar instruiert waren.
  • Wurde der Hund durch eine Person oder den anderen Hund gereizt, in die Enge getrieben, misshandelt, bedroht, kann Mitverschulden oder dessen Verantwortung angeführt werden.
  • Bei Meldung/Strafanzeige muss der betroffene Hundehalter mündlich oder schriftlich angehört werden und Einsicht ins Anzeigeprotokoll erhalten.
  •  Meldung an die Haftpflichtversicherung, die bei Grobfahrlässigkeit die Kostenübernahme kürzen wird.

Der Maulkorb – Alles für die Sicherheit

Wenn Ihr Hund schon einmal zugebissen hat oder Sie wissen, dass Ihr Hund dazu neigen könnte, geht die Sicherheit für Sie selbst und andere vor. Ein Maulkorb kann hier eine gute Option sein. In manchen Kantonen ist es sogar Pflicht, dass bestimmte Hunderassen einen Maulkorb tragen müssen. Jedoch liegt die Bestimmung der Leinen- und Maulkorbpflicht in der Zuständigkeit der verschiedenen Kantone bzw. Städte. Es ist sinnvoll, sich direkt bei der zuständigen Gemeinde/Stadt genauer zu informieren: www.tierimrecht.org . Egal ob in der Öffentlichkeit oder im privaten Umfeld, ein Maulkorb stellt sicher, dass niemand von Ihrem Hund gebissen wird. Trägt Ihr Hund einen Maulkorb, müssen Sie sich keine Sorgen darüber machen, ob Ihr Hund in gewissen Situationen zubeisst. Dadurch können Sie unterwegs gelassener sein und Sicherheit ausstrahlen, was sich positiv auf Ihren Hund auswirken kann. Ihr Hund sollte langsam und sanft an den Maulkorb gewöhnt werden. Nach einer gewissen Zeit wird er Ihren Liebling kaum mehr stören. Wichtig ist aber, dass ihr Hund trotz Maulkorb immer noch hecheln kann. Durch das Hecheln verdunstet Feuchtigkeit auf den Schleimhäuten des Hundes. Das führt dazu, dass die Körpertemperatur gesenkt wird. Hunde können fast nicht schwitzen und benötigen aus diesem Grund das Hecheln zur Temperaturregulierung.

Stiftung für das Tier im Recht zum Thema Beissattacke

Bianca Körner, Juristin bei TIR, erklärt zum Thema: «Ein Beissvorfall kann für den betreffenden Hund und seinen Halter weitreichende Folgen haben. So ist der Hundehalter in der Regel verpflichtet, dem Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen – selbst, wenn ihn gar kein Verschulden trifft. Darüber hinaus drohen strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Konsequenzen, wobei letztere in Extremfällen bis hin zum Hundehalteverbot oder sogar zur Einschläferung des Hundes reichen können.» Sowohl im eigenen Interesse als auch jenem des Hundes empfiehlt Körner jedem Hundehalter dringend den Besuch einer guten Hundeschule. «Dort lernen Hund und Halter im Rahmen einer fundierten Ausbildung, alltägliche Situationen basierend auf gegenseitigem Vertrauen zu meistern, wodurch sich das Risiko eines Beissvorfalls deutlich reduzieren lässt.» An die Kantone appelliert die TIR-Juristin, durch die Schaffung obligatorischer Ausbildungskurse sicherzustellen, dass jeder Hundehalter einen korrekten Umgang mit seinem Hund erlernt. Sollte der Gehorsam bereits in einer Welpenschule trainiert werden? Viele verantwortungsbewusste Hundehalter sind sich in dieser Frage unschlüssig. In unserem Blogbeitrag «Welpenschule: Ja oder Nein?» haben wir uns mit diesem Thema befasst und die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Quellen:

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