Wolfskrallen beim Hund – Funktionslose Anhängsel oder Risikofaktor?

Insbesondere grössere Hunderassen besitzen sogenannte Wolfskrallen, bekannt auch unter den Begriffen «Afterkralle», «Wolfsklaue» oder «Hubertusklaue». Die Bezeichnung «Wolfskralle» ist insofern ungeeignet, da Wölfe diese Afterkrallen an den Hinterläufen gar nicht besitzen.

Die Wolfskralle ist eine zusätzliche Kralle an der Innenseite der Hinterläufe des Hundes und gesellt sich dort zu den vier anderen Zehen (Polydaktylie). Meist ist sie mit der Haut verwachsen und somit kein selbstständiges Gliedmass. Im Gegensatz dazu besitzen Hunde an ihren Vorderpfoten jeweils fünf Zehen, einschliesslich der sogenannten «Daumenkralle», die mit Knochen und Gelenken verbunden ist. Dem Hund dient die Daumenkralle zum Klemmen und Fixieren; sie ist also keinesfalls funktionslos.

Wir unterscheiden somit zwischen der Daumenkralle an den Vorderläufen sowie den Wolfskrallen an den Hinterläufen. Erstere hat – ausser beim Sprint – normalerweise beim Laufen keinen Bodenkontakt. Ob sie auch zur Stabilität beim Laufen beiträgt, ist noch nicht hinreichend erforscht. Die Wolfskralle kann bei Hunden ein- oder auch beidseitig vorhanden sein und befindet sich, wie bereits ausgeführt, an der Innenseite der Hinterläufe mit grossem Abstand zu den anderen Zehen. Sie kann zuweilen auch eigenständig angelegt sein, mit einem eigenen Zehenknochen und Zehengelenk. In anderen Fällen besitzt die Wolfskralle zwar eine eigene Blutversorgung, allerdings ohne knöcherne Verbindung zum Skelett.

Die Daumenkralle an den Vorderbeinen ist, im Gegensatz zur Wolfskralle, immer mit Knochen und Gelenken verbunden.

Grundsätzlich kann die Wolfskralle bei allen Hunderassen vorkommen. Am häufigsten findet man sie aber bei grossen und mittelgrossen Hunderassen, wie zum Beispiel Bernhardiner, Neufundländer, Hütehunden, Leonberger oder auch Mastiffs. Bei alten Hütehunderassen wie beispielsweise dem Beauceron ist die Wolfskralle nicht selten sogar mehrfach angelegt, sodass Wolfskrallen dann sogar zweifach als fünfte und sechste Kralle auftreten. Bei einigen Rassen, beispielsweise Kuvasz, Berger de Brie und Beauceron, gehört die Wolfskralle sogar zum FCI-Standard. Sie ist dort ein gewolltes Rassemerkmal. Aber auch bei kleinen Rassen wie zum Beispiel Chihuahuas können Afterkrallen auftreten.

Zum Verständnis: Bei allen Wirbeltieren ist das sogenannte Fünf-Finger-Prinzip zu beobachten. Dieses hat sich evolutionsbiologisch bereits vor 300 Millionen Jahren entwickelt.

Verletzungen an der Wolfskralle vorbeugen

Aufgrund ihrer exponierten Position sind Afterkrallen häufig anfällig für Verletzungen. Beim Toben, Sport und Spiel bleiben Hunde schnell an Holzstücken, im Gestrüpp oder an der Leine hängen mit der Folge, dass die Wolfskralle angebrochen, gebrochen oder im schlimmsten Fall sogar komplett ausgerissen wird. Derartige Verletzungen sind für Hunde besonders schmerzhaft. Gleichzeitig kommt es meist zu recht starken Blutungen. Bei solchen Verletzungen schont der Hund den Fuss und/oder er beleckt ihn. Eine wesentliche Prävention von Verletzungen ist eine behutsame wie gleichermassen präzise Krallenkürzung.

Richtig Krallen kürzen / Krallenschneiden

Die Wolfskralle nutzt sich nicht ab, weil sie den Boden nicht berührt. Da sie ein Leben lang wächst, sollte das Krallenschneiden in regelmässigen Abständen von sechs bis acht Wochen erfolgen, allerdings nur mit einer speziellen Krallenzange, die stets sehr scharf geschliffen sein sollte. Wird der Rückschnitt versäumt, kann die Kralle schnell sichelförmig in die Pfote einwachsen. Diese unnötigen Schmerzen gilt es Hunden zu ersparen. Die Krallenspitze sollte nur millimeterweise geschnitten werden, stets im rechten Winkel zur Krallenachse, keinesfalls aber schräg. In gar keinem Fall dürfen Nerven und Blutgefässe im Inneren der Kralle verletzt werden. Sobald die Blutgefässe in der Mitte des Krallenquerschnitts sichtbar werden, ist die Krallenkürzung zu beenden.

Das Krallenschneiden ist bei Hunden meist unbeliebt. Am besten wird bereits der junge Hund daran gewöhnt. Das Medical Training ist hierfür ideal geeignet. Auf jeden Fall sollte diese Prozedur positiv verknüpft werden, zum Beispiel mit vielen Leckerli.

Mögliche Zeichen für Verletzungen an der Wolfskralle

• Wenn Hunde sich intensiv die Pfote im Krallenbereich lecken.
• Wenn Hunde ihre Pfote schonen, respektive auf drei Beinen laufen.
• Eine blutige Pfote mit Krallenverletzungen.
• Wenn die Kralle abgebrochen, gespalten oder eingerissen ist.
• Teile der Kralle sind abgebrochen oder verdreht.
• Bei sichtbarem Krallenriss bis ins Krallenbett (Pfotenverletzung). Bei gröberen Verletzungen der Wolfskralle sollte der Hund dem Tierarzt vorgestellt werden.

Wolfskrallen entfernen: Ja oder Nein?

Vor noch nicht allzu langer Zeit war es üblich, die Wolfskrallen vorsorglich entfernen zu lassen. Heute hingegen ist dies nur bei einer medizinischen Indikation gemäss Tierschutzgesetz erlaubt. Solange Wolfskrallen keine Beschwerden verursachen, liegt keine medizinische Indikation vor. Bei Wolfskrallenverletzungen wird es dann jeweils zur medizinischen Einzelfallentscheidung. Das Entfernen der Wolfskralle kann insofern auch schwierig werden, wenn die Verbindung der Wolfskralle nicht nur einen Hautlappen, sondern eine feste Struktur zum Hundebein darstellt.

Das Deutsche Tierschutzgesetz verbietet das Entfernen der Wolfskrallen ohne medizinische Indikation grundsätzlich. Beim Schweizer Tierschutz, STS, sind unter der Tierschutzverordnung (TScHV, 22, S. 33) zwar Verbote des Kupierens von Ohren und Ruten, nicht aber das Entfernen der Wolfskralle erwähnt. Gemäss Schweizer Tierschutzgesetz dürfen fachkundige Personen Welpen bis zum Alter von vier Tagen die Wolfskrallen an den Hinterläufen entfernen.

Erste-Hilfe-Massnahmen bei schwereren Verletzungen der Wolfskralle

  • Den Hund möglichst ruhig halten.
  • Starke Blutungen durch Druckverband stillen.
  • Pfote vorsichtig reinigen bzw. desinfizieren.
  • Verletzung mit steriler Wundauflage versorgen und erst danach verbinden.
  • Möglichst selbsthaftende Verbände bzw. Haftpflaster verwenden.

Achtung: Verbände dürfen nicht zu fest anliegen.

Im Verbandskasten für Hunde sollten Utensilien, wie zum Beispiel Wundreinigung, Desinfektion (wie Octenisept), Verbandsmaterialien, Schere und Hundesocken mit Sohle vorhanden sein.

Nach der fachgerechten Erstversorgung muss trotzdem der Tierarzt konsultiert werden, da eine unsachgemässe Behandlung solcher Verletzungen für den Vierbeiner schwerwiegende Folgen haben kann. Krallenverletzungen können zu Infektionen und Vereiterungen der Pfote führen, schlimmstenfalls sogar zu einer tödlichen Blutvergiftung. Der Tierarzt wird dem Hund bei schweren Verletzungen auch Antibiotika und Schmerzmittel verabreichen und gegebenenfalls die Kralle entfernen.

Quellen:

• Erschienen im Schweizer Hunde Magazin 2/20, S. 52-54, Autor Dr. Barbara Wardeck-Mohr (bitte auch übersetzen)
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