Über das Jagdverhalten der Katze

«Die Katze lässt das Mausen nicht» lautet ein bekanntes Sprichwort. Gemeint ist damit in der Regel, dass jemand eine lange bestehende Gewohnheit kaum jemals ablegen wird. Der Ausspruch wird meist abwertend verwendet und tadelt insbesondere Individuen, die durch kriminelle Handlungen aufgefallen sind und denen mancher nicht abnimmt, dass sie dauerhaft von ihrem Fehlverhalten kuriert sein könnten. Aber ist eine Katze, die mit ihrer Beute spielt, obwohl sie satt ist, kriminell oder wirklich grausam?

Kaum eine Verhaltensweise ruft so starke Emotionen hervor wie das Jagdverhalten unseres geliebten Büsis. Wird es im Spiel gezeigt, sei es beim Erhaschen einer Schnur, im wiederholten Springen und Hangeln nach einem Federwedel oder beim In-die-Luft-werfen eines Spielzeugmäuschens, sind wir hell entzückt. Wir interpretieren das Spiel unseres Stubentigers als Zeichen seiner Zuneigung und des Wohlbefindens sowie als soziale Interaktion mit dem Zweibeiner, der bei solchen Spielen die Jagdbeute animiert.

Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn Katzen statt einer harmlosen Schnur die Blindschleiche im Garten erlegen, statt des Federwedels ein Rotkehlchen erwischen und das Vögelchen vor unseren Augen rupfen und zerfleddern. Das Mass des Erträglichen ist für die meisten Halter spätestens dann voll, wenn das Büsi eine mehr oder weniger tote Maus in die heimischen vier Wände mitbringt. Zunächst wird der oft herzzereissend quiekende Nager in Eishockey-Manier mit den Pfoten über den Boden gekickt. Dann folgt das In-die-Luftschleudern und schliesslich wird die Beute von einem kätzischen Derwisch umtanzt, bis der Nager entweder langweilig wird oder der Jägerin entwischen konnte.

Das Jagdverhalten der Katzen: Ein Erfolgsmodell der Evolution

Selbst Katzenfreunde mit langjähriger Haltungserfahrung empören sich bisweilen darüber, dass ihr gepflegtes und stets gut gefüttertes Katzentier bei der erstbesten Gelegenheit kurzen Prozess mit allem macht, was in sein Beuteschema fällt, und wenn es nur ein Schmetterling auf dem Balkon ist, der sich durch das Katzennetz ins Reich einer Wohnungskatze verirrt hat. Ist dieses scheinbar wahllose Töten, vor allem wenn die Beute nicht gefressen wird, nicht sinnlos?

Schon die Vielfalt möglicher Beutetiere – vom winzigen Insekt über diverse Nagetiere und Reptilien bis hin zu halbwüchsigen Wildkaninchen und Fischen aus Nachbars Gartenteich – liefert einen Hinweis darauf, wie wichtig der Jagderfolg für unsere domestizierten Falbkatzennachfahren immer noch ist. Katzen erlegen in der Natur über den Tag verteilt mehrere kleine Beutetiere. Ihr Jagdtrieb muss zum einen stark genug sein, um sie selbst dann jagen zu lassen, wenn sie satt sind, denn in der Natur weiss ein Beutegreifer nie, wann ihm die nächste Mahlzeit über den Weg läuft.

Zum anderen hat ihre Entwicklungsgeschichte den Katzen genug Anpassungsfähigkeit gegeben, um ihr Jagdverhalten flexibel zu gestalten: So enthält das Jagdspiel junger Katzen zahlreiche unterschiedliche Strategien: Belauern und Zupacken, akrobatische Sprünge in die Luft oder das Angeln in Löchern mit den Pfoten. Da manche Katzen auch wehrhafte Beute wie ausgewachsene Ratten erlegen, sehen wir bei jagenden Katzen ebenso Verhaltenssequenzen, die im Kampf eingesetzt werden: Ein Sprung in Flanke oder Nacken mit folgendem Niederreissen der Beute, die dann aus der Seiten- oder Rückenlage mit wild strampelnden Hinterläufen traktiert wird, während gleichzeitig der Abstand zum verletzlichen Katzenbauch gewahrt bleibt.

Die Augen einer Katze kommen auch nach Sonnenuntergang gut zurecht. Sie sehen im Dunkeln genauso scharf wie im Hellen. Deshalb jagen Katzen besonders gern im Dunkeln.

Spielerisch zum Jagderfolg

Junge Katzen, die lange genug bei einer jagenden Mutter leben, erlernen zunächst deren Jagdstrategie. Das macht Sinn, denn vermutlich würde in der Natur ihr künftiges eigenes Revier ein ähnlicher Lebensraum mit einem vergleichbaren Spektrum an Beutetieren sein. Doch selbst eine Katze, die in ein Habitat mit anderen Arten Einzug hält, ist in der Lage, sich auf neue Nahrungsquellen einzustellen. Im Idealfall hatte sie als Kitten genügend Gelegenheit, alle ihr zur Verfügung stehenden Beutefangstrategien spielerisch zu erlernen. Bei Katzen läuft nämlich kein starres, rein instinktgesteuertes Jagdverhalten ab, sondern sie sind sehr flexibel in der Wahl ihrer Methoden.

Ihr Instinkt gibt der Katze jedoch vor, das Jagen auch als erwachsenes Tier gemäss dem Motto «Allzeit bereit!» fleissig zu trainieren. Nahrungsaufnahme und Jagen sind zwei unterschiedliche Funktionskreise ihres Verhaltensrepertoires. (Als Funktionskreise bezeichnen Biologen eigenständige Verhaltenssequenzen, die eine übergeordnete Funktion erfüllen.) Jagen und Fressen sind voneinander abgekoppelt, weshalb eine satte Katze zwar noch jagt, aber ihre Beute nicht verzehrt. Häufig erleben wir es, dass Katzen jederzeit Zugang zu Katzenfutter haben, aber wenig Gelegenheit ihr Jagdverhalten auszuleben. Bietet sich dann die Gelegenheit, eine lebende Beute zu bejagen, flippen solche Katzen oft schier aus.

Zum Leidwesen mancher Beutetiere müssen Katzen auch den korrekten (schnellen) Tötungsbiss erlernen. Angeboren ist nur die Präferenz des schmalen Nacken-Rückenbereichs beim Zupacken, aber unerfahrene Tiere zerbeissen und zerquetschen oft minutenlang Wirbelsäule und umliegende Organe ihrer Beute, was unglaublich sadistisch auf menschliche Betrachter wirkt. Qualvoll stellt sich auch das sogenannte Erleichterungsspiel der Katze dar, falls das Opfer noch lebt. Darunter versteht man das bereits erwähnte In-die-Luft-schleudern und «Umtanzen» einer Beute. Dieses Verhalten zeigen selbst jagderfahrene Katzen, nachdem sie ein wehrhaftes Tier wie eine Ratte zur Strecke gebracht haben, während Kitten auch bei der Annäherung an vermeintlich gefährliche Objekte solche Tänze aufführen, wie ein sehr schön gemachtes YouTube-Video demonstriert. Die mit dem erhöhten Adrenalinspiegel einhergehende innere Anspannung entlädt sich in diesen ritualisierten «Tänzen».

Doch grausam und sadistisch sind unsere Katzen keinesfalls. Sie erfreuen sich ja nicht an Leid und Schmerzen ihrer Beutetiere. Allerdings können wir dazu beitragen, durch angemessene Schutzmassnahmen die Zahl überflüssiger Katzenopfer zu senken.

SCHUTZ FÜR DIE HEIMISCHE TIERWELT

  • Bringen Sie Nistkästen und Vogelfutterhäuser unerreichbar an Hauswänden an.
  • Versehen Sie Bäume mit einem Kletterschutz aus glattem Blech. Für dünne Bäume bieten sich längs aufgeschnittene Kunststoffrohre aus dem Sanitärfachhandel an.
  • Schützen Sie Gartenteiche mit engmaschigem Katzennetz, das bodennah mit Zeltheringen gespannt wird.
  • Versuchen Sie den Freigang Ihrer Katze während der Brut- und Setzzeit zumindest einzuschränken.
  • Erkundigen Sie sich bei regionalen Naturschutzorganisationen, welche Vogel-, Kleinsäuger- und Insektenarten in Ihrer Gegend besonders stark gefährdet sind. Richten Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Insektenhotels und Nützlingsquartiere ein, um Verluste auszugleichen.
  • Zu guter Letzt: Nehmen Sie sich unsachliche Auseinandersetzungen mit dem Tenor, Katzen seien Vogelmörder etc. nicht zu Herzen. Verantwortlich für den Rückgang bestimmter Tierarten ist und bleibt der Mensch.

Quelle:

  • Erschienen im Schweizer Katzenmagazin 02/2018, Autor Bettina von Stockfleth

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